Samstag, 29. Mai 2010

Ohne Handy in Japan?

Kann man so überleben?
Auch hierzulande scheint bei manchen Menschen die Bindung zum ihrem Mobiltelefon schon so eng zu sein, dass sie sich selbiges kaum vorstellen können.
So wurde ich bereits mehrfach mit dem Unterton der Entrüstung gefragt, ob ich denn wirklich allein und dann auch noch ohne Handy nach Japan reisen möchte. Scheinbar ist man erst richtig allein, wenn man auch ohne Handy ist.


Ein Zustand, der bei mir so gar keine Panik auslösen kann, da ich ja auch in Deutschland nach keine wirkliche Beziehung mit meinem Mobiltelefon aufgebaut habe. Es hat keine Kamera, ich konnte bislang noch nicht ergründen, wie man mit dem fast schon vorzeitlichen Gerät das Internet aufsuchen soll, es ist zerkratzt, hat kein schützendes flauschiges Täschlein, dafür aber zwei vollkommen zerflatterte traurig aussehende „Straps“ oder wie man das nennt (sogar einen von der Insel Miyajima mit den Resten eines Bambi).

Vor allem aber ist der Akku zuverlässig leer, wenn ich das Gerät wirklich einmal benötige.

Wenigstens auf diesem Gebiet habe ich mich beruhigender weise noch nicht zu einer Japanerin entwickelt.


Zum Thema Handy in Japan erinnere ich mich vor allem an meinen Studienaufenthalt in Hiroshima und daran, dass von der Universität aus bereits am allerersten Tag vor Ort dafür gesorgt wurde, dass ein ehemaliger Student uns dabei betreute in der Stadt sofort für uns das rettende Handy heran zu schaffen. Ich habe dieses dann in der Zeit so selten verwendet, dass ich in 6 Monaten gerade einmal die 10 Euro Karte aufladen musste. Telefoniert habe ich fast ausschließlich mit einer deutschen Austauschstudentin. Mit den mäßigen Kenntnissen der japanischen Sprache, die ich damals hatte, war das auch kaum anders möglich. So ist mir der Sinn dieser Anschaffung bis heute nicht verständlich geworden.


Nachvollziehbar allerdings die Annahme der universalen Notwendigkeit, wenn man den Umgang der meisten Japaner mit ihrem persönlichen „Keitai Denwa“ beobachtet.

Kann doch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in jedweder Wartesituation kaum einer ausharren ohne den kleinen Freund zu zücken und sich in irgendeiner Form darin zu vertiefen. Wie oft habe ich in Hiroshima in der Astramline (Hochbahn) Japanerinnen beobachtet, die in einem Zeitraum von 20 Minuten locker 10mal zwischen Handy und Schminkutensilien gewechselt haben und damit die gesamte Zeit gut beschäftigt waren.

Um aber nun eine wirkliche Beziehung zum Handy aufzubauen muss es mindestens mit mehreren Anhängern, sogenannten Straps bestückt werden. Gerade unter jungen Damen und solchen, die es werden wollen ist das Verzieren desselben mit glitzernden Steinchen, Aufklebern und neuerdings auch Umgestalten in Esswaren und hier bevorzugt in Törtchen verbreitet. Letzteres konnte ich 2006 noch nicht live beobachten, habe diese Entwicklung jedoch über das Internet verfolgt und hoffe diese bunten Kunstwerke bald auch im Original bewundern zu können.

Hier kann man eine Seite besuchen, die zu einer zu dem Thema wichtigsten eigens zu diesem Thema auf dem Markt befindlichen Magazine gehört.

dekoden.com

Und einer weltweiten Seite auf der man beachtliches Zubehör zur Gestaltung des keinen Freundes erstehen kann.

Strapya-World.com

Was genau passiert, wenn man diesen Gegenstand so eine Bedeutung zukommen lässt und warum ist das so? Nun gut, ich persönlich kann es nur in Ansätzen erahnen und sicher ist das Thema viel zu tief greifend um es hier mal lustig flockig abzuhandeln. In jedem Fall wird es zu einem ständigen Begleiter, zu einem Fashion-Accessoire welches als solches in Japan nicht mehr wegzudenken ist. Gut sehen ist das auf der bereits angepriesenen Seite japanese-streets.com. Sind doch auf fast allen Fotoprofilen Detailaufnahmen der „kleinen Freunde“ zu sehen.


Ich selber habe es nicht selten so empfunden, als ob das Handy in Japan in vielen Situationen als Kommunikations-und Blickkontaktvermeider genutzt wird.

Dazu eine kleine Geschichte welche sich an der Busstation der Hiroshima-City University zugetragen hat.

Wunderschöner Sonnentag, eigentlich brütende Hitze... ich brachte an diesem Tag sehr viel Zeit an der Uni zu. Folglich war es so spät, dass außer mir nur ein Japaner an der Busstation wartete als ich dort aufschlug. Kaum registrierte der dies brach bei ihm die helle Panik aus. Scheinbar hatte er beinahe panische Angst in ein Gespräch mit einem Gaijin verwickelt zu werden. Logische Handlung: Handy zücken. Nur leider wie ich seinem verzweifeltem Gesicht entnahm stimmte damit irgend etwas nicht. Bösartig und neugierig wie ich war näherte ich mich soweit, dass ich nachvollziehen konnte, dass scheinbar der Akku leer war. Er fingerte nichts desto trotz so lange an dem Ding herum, bis dann endlich die Erlösung in Form des Buses nahte.


Ich für meinen Teil bin froh wenn ich das Ding namens Handy in Japan los bin, schamlos beobachten kann und in Gespräche verwickelt werde...

4 Kommentare:

  1. Und ich dachte das geht nur uns Jungs so. Selten merkwuerdig...
    Hast du schonmal an Haare faerben gedacht? Vielleicht werden Sie ja dann zutraulicher.

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  2. Hihi. Das ist auch eine Idee. Aber-ich denke dann würde ich etwas leicht leichenhaftes bekommen. Obwohl...in Japan würde das sicherlich als vornehme Blässe interpretiert.
    Außerdem bin ich sicherlich zu groß, zu laut und schwebe nicht in höheren Tonlagen kaum nähert sich ein männliches Wesen.

    Fühle mich übrigens überaus sehr geehrt von Deinem Kommentar. Große Bewunderung für BigAl...

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  3. Hossa, wie komm' ich denn dazu?

    Na für so viel Schleimerei kriegste gleich nen Link bei mir.

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  4. Hey, so schnell geht das? Juhu! Darauf hatte ich nun doch nicht gewettet.
    Schleimigerweise danke. ;-) Immerhin noch aus Berlin... da biste nicht gefährdet direkt überschwemmt zu werden.

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